Sektorenkopplung
Thema
Stichworte: Wärme, Mobilität, Strom, Sektor, Elektrifizierung, Power-to-Heat, Power-to-Gas, Stromspeicher, Speicher, Batterie, E-Mobilität, Fernwärme, Wärmenetz
Beschreibung:
Die Sektorenkopplung meint die Vernetzung und Integration der verschiedenen Sektoren in der Energiewirtschaft: Strom, Gas/Wärme und Mobilität. Diese Sektoren wurden in der Vergangenheit in der Regel getrennt voneinander betrachtet und Lösungsansätze auf einen einzelnen Sektor bezogen implementiert, anstatt einen gesamteinheitlichen, integralen Ansatz zu verfolgen. Die Sektorenkopplung wird oftmals als Schlüsselkonzept bei der Energiewende und dem Aufbau eines vollständig regenerativen Energieversorgungssystems betrachtet.
Aktuell gibt es einen relativ hohen Anteil an erneuerbarer Energie im Stromsektor, aber weniger in den anderen Sektoren. Daher ist es wichtig, auch diese zur Bekämpfung des Klimawandels ins Auge zu fassen, besonders deshalb, da der Energieverbrauch in den Sektoren Mobilität und Wärme größer als im Stromsektor ist.https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2023-03-16_uba_hg_erneuerbareenergien_dt_bf.pdf
Deshalb gibt es den Ansatz bei der Sektorenkopplung, den Stromsektor als Ausgangspunkt zu verstehen, sodass regenerative Energiequellen vermehrt zur Deckung des Energiebedarfs aus den Sektoren Wärme und Mobilität genutzt werden können. So geht zum Beispiel der IPCC in seinem „Sonderbericht 1,5°C globale Erwärmung“ davon aus, dass die Elektrifizierung von Endverbrauchern in Kombination mit der Dekarbonisierung des Stromsektors das wichtigste Mittel zur Dekarbonisierung anderer Verbrauchssektoren des Energiesystems ist.Sonderbericht 1,5 °C Globale Erwärmung: Mitigation Pathways Compatible with 1.5°C in the Context of Sustainable Development, s.137.
Durch die Volatilität erneuerbare Energien gibt es, je besser die erneuerbaren Energien ausgebaut sind, zunehmend Stunden am Tag, in denen die Produktion von regenerativem Strom höher ist als der momentane Verbrauch. Wenn die vorhandenen Speicherkapazitäten nicht ausreichen, den überschüssigen Strom vollständig zu speichern, kann in dieser Zeit die Energie (zum Teil) aus dem Stromsektor in den Wärme- oder Mobilitätssektor übertragen und dort verbraucht oder in anderen Energieformen gespeichert werden. Möglich Speicherformen wären zum Beispiel die Batterien von E-Autos, Wärmespeicher oder chemische Speicher.
Für den Wärmesektor sind besonders die Technologien Power-to-Heat und Power-to-Gas von großer Relevanz. Über Power-to-Heat- Anlagen wird mit Wärmepumpen, Elektrodenkesseln oder Heizstäben Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Wärme umgewandelt. Damit kann zur Dekarbonisierung der Fernwärme und Prozesswärme beigetragen werden sowie durch dezentrale Wärmepumpen zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors. Beim Power-to-Gas-Verfahren werden (bei Nutzung von erneuerbaren Stromquellen) klimaneutrale Brennstoffe (wie Wasserstoff oder mit der Zugabe von C02 auch Methan) erzeugt. Diese können ins Gasnetz eingespeist oder in Gastanks gespeichert werden. Wasserstoff kann allerdings nur teilweise ins bestehende Gasnetz eingespeist und verheizt werden. Das Gasnetz kann ebenfalls als Speicher genutzt und bei Bedarf das Gas in einem Kraftwerk wieder rückverstromt werden.
Im Mobilitätssektor kann der überschüssige Strom direkt in Elektro-Fahrzeuge eingespeist werden. Mit einem intelligenten Lademanagement können die Ladezeiträume so gewählt werden, dass das Laden zu Zeiten erfolgt, wenn besonders viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Über bidirektionales Laden können die Fahrzeuge den Strom bei Bedarf auch wieder ins Netz zurückspeisen. Des Weiteren spielen auch im Mobilitätsektor Power-to-Gas oder sogenannte E-Fuels eine große Rolle. Diese können genutzt werden, um Autos mit Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzelle klimaneutral zu versorgen, und fossile Brennstoffe im Autoverkehr zu substituieren. Ebenfalls sind diese Brennstoffe in den Arten von Verkehr nötig, in dem batterieelektrische Antriebe kaum oder unmöglich sind, wie zum Beispiel beim Luft- und Schiffsverkehr.
Alle diese Schritte sind mit Umwandlungsverlusten verbunden, weswegen es in jedem Fall effizienter ist, den Strom direkt zu nutzen. Bei einem Überschuss an regenerativen Strom ist es dennoch sinnvoller, diesen in Batterien zu speichern oder umzuwandeln und in anderen Sektoren zu nutzen, anstatt die Anlagen abzuregeln. Voraussetzung für eine effektive Sektorenkopplung ist eine intelligente Vernetzung und ein hoher Datenaustausch zwischen den Sektoren und Elementen der Netze (Smart City).
Für Energieversorger, Kommunen und Planer bedeutet dies, dass bestehende Denkmuster und Vorgehensweisen aufgebrochen werden müssen. Statt einer isolierten Betrachtung der einzelnen Sektoren müssen Akteure aus den verschiedenen Sektoren an einen Tisch geholt und in die spartenübergreifende Planung einbezogen werden. Dies erhöht die Komplexität der Vorhaben, führt jedoch häufig zu einer effizienteren Gesamtlösung.
Ein Beispiel für Sektorenkopplung in der Praxis ist das intelligente Nahwärmenetz in der Marktgemeinde Dollnstein in Bayern, welches ca. 40 Haushalte umfasst. Es arbeitet nicht mit einer konstanten, sondern mit einer im Laufe eines Jahres variierenden Vorlauftemperatur. Im Winter liegt diese bei ca. 80 °C und im Sommer bei 30°C, damit schwankt es also zwischen einem kalten und warmen Nahwärmenetz. So kann im Sommer einiges an Leitungsverlusten eingespart werden.
Eine große Grundwasserwärmepumpe versorgt das Netz. Davor geschaltet ist eine Solarthermieanlage, welche an sonnenreichen Tagen das Wärmemedium vorheizt. Nachgeschaltet ist ein BHKW, welches im Winter in Betrieb ist. Der Strom aus dem BHKW treibt die Wärmepumpe an, ebenso wie die kommunalen Photovoltaik-Anlagen.
Im Sommer ist das BHKW in der Regel nicht in Betrieb, da die Solarwärmekollektoren in der Regel genug Energie liefern. Dezentrale Wärmepumpen, mit denen jeder angeschlossene Haushalt ausgestattet ist, heben dann das Temperaturniveau von 30°C auf bis zu 70°C heißes Brauchwasser an.
Des Weiteren sind die einzelnen Elemente des Wärmenetzes durch Datenkabel miteinander vernetzt, sodass das Netz auf Änderungen durch die Umgebung oder das Nutzverhalten etc. reagieren kann. So wird das Netz zum Beispiel, sobald die Außentemperaturen tagsüber unter 10 °C fallen, automatisch in den Wintermodus umgeschaltet.
Vorteile:
- Senkung der Treibhausgasemissionen, da mithilfe von erneuerbaren Energien alle Sektoren der Energiewirtschaft, aber auch zum Beispiel die Industrie, dekarbonisiert werden
- Senkung des Energieverbrauchs und eine bessere Energieeffizienz mit Hilfe von effizienten Technologien und einer intelligenten Vernetzung
- Schaffung funktionaler Stromspeicher (Nutzung großer und günstiger Energiespeicher außerhalb des Elektrizitätssektors), die die Flexibilität in der Nachfrage erhöhen und den Investitionsbedarf für teure Elektrizitätsspeicher verringern
- Steigerung der Energiesicherheit
- Nutzung der vorhandenen Gasinfrastruktur bei der Einspeicherung von synthetischem Methan (und in Teilen auch Wasserstoff)
- Eröffnung neuer Geschäftsfelder für Kommunen, Stadtwerke und Versorgungsunternehmen
- Wirtschaftliche Bindungsmöglichkeiten an Prosumer
- Steigerung der regionalen Wertschöpfung
Nachteile:
- Der energetische Wirkungsgrad stromgenerierter Kraftstoffe (Power-to-Gas, E-Fuels, etc.) ist relativ gering. Eine direkte Stromnutzung ist immer effektiver, aber nicht in allen Anwendungsbereichen und nicht in der nötigen Flexibilität möglich.
- Strombasierte Kraftstoffe weisen energieintensive Herstellungsverfahren auf und sind nur klimaneutral, wenn sie mit ausschließlich erneuerbaren Energien hergestellt wurden.
- Der Aufbau geeigneter Leitungs- und Ladeinfrastrukturen, unter anderem durch die Komplexität der Vorhaben, kann eine große Herausforderung für Kommunen und Unternehmen sein.
- Aktuelle politische Rahmenbedingungen sind nicht für Vorhaben in der Sektorenkopplung geeignet. Reformen sind nötig für z.B. die Nutzung von sonst abgeregeltem regenerativen Strom in anderen Sektoren.
Technologien:
- Dezentrale Wärmepumpe
- Zentrale Wärmepumpe in wärmenetzen und Industrie/Gewerbe
- KWK dezentral in Wohngebäuden
- KWK zentral in Netzen und Industrie/Gewerbe
- Brennstoffzelle
- Heizstab
- Elektrodenkessel
- Ladeinfrastruktur
- Elektromobilität-PKW
- Elektromobilität-LKW
- Elektromobilität-Bus
- Elektromobilität-Roller
- Elektrolyseur
Konzepte:
- Bivalente Wärmepumpe (mit Heizkessel) / Hybridwärmepumpe
- wärmepumpenbasierte Wärmeversorgung (für Gebäude)
- PtH-Erweiterung für Wärmespeicher
- KWK im Gebäude
- (PV-)Wasserstoffsystem für Gebäude
- Wallbox
- Flexible Kälteerzeugung
- KWK-basierte Quartiersversorgung
- iKWK-basierte Quartiersversorgung
- Wärmepumpen-basierte Quartiersversorgung
- Kälteversorgung im Quartier
- Wasserstofferzeugung im Quartier
- Wasserstoffnutzung im Quartier zur Wärmebereitstellung
- Wasserstoffnutzung im Quartier für die Mobilität
- Carsharing
- Mobilitätsstationen
- Öffentliche Ladesäulen