Energieausgleich im Quartier
Thema
Stichworte: Energiespeicher, Stromspeicher, Speicher, Quartier, Mobilitätssektor, Elektromobilität, Elektroauto, Elektrofahrzeug, Stromsektor, PV, erneuerbare Energie, Mieterstrom, Flexibilisierung, Flexibilität, Energy Community, Autarke Versorgung, Eigenverbrauch, Eigenverbrauchserhöhung, effiziente Stromversorgung, Arealnetz, Quartiersnetz, Energiegemeinschaft
Beschreibung:
Mit dem weiteren Voranschreiten der Energiewende wird die Bereitstellung von Flexibilität zunehmend wichtiger. Auf Quartiersebene gibt es hierzu gute Voraussetzungen, da hier verschiedene Sektoren und Verbrauchertypen zusammenkommen und so Potenziale für einen gegenseitigen Ausgleich unter einer vorausschauenden Steuerung bieten.
Voraussetzung für gemeinschaftlich genutzte oder betriebene Systeme bzw. Technologien für den Energieausgleich im Quartier ist ein quartiersbezogenes Konzept, in dessen Rahmen die Technologien verwendet werden. Eine Möglichkeit hierfür stellen Energiegemeinschaften dar. Was eine Energiegemeinschaft genau ist, kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden und ist vor allem rechtlich in Deutschland noch nicht genau definiert.
Ein Beispiel für eine mögliche Energiegemeinschaft ist ein quartierbezogenes Energiesystem, innerhalb dessen erneuerbare Energie erzeugt, umgewandelt, gespeichert, verbraucht, gehandelt und vermarktet wird. Wichtig ist die gemeinsame Organisation des Energiesystems, welches Stromnachfrage und -angebot des Quartiers flexibel abgleicht. Die Organisation kann ebenfalls verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel eine Genossenschaft, ein Verein oder Vergleichbares.
Die Erzeugung kann von einer gemeinsam bewirtschafteten Anlage oder z.B. von einzelnen dezentralen Anlagen, wie z. B. PV-Anlagen auf verschiedenen Dächern, stammen. Wichtig ist, dass der Strom nicht nur von individuellen Personen, die zum Beispiel eine PV-Anlage besitzen, verbraucht wird, sondern im Quartier gemeinschaftlich verwendet werden kann. Das „Energy Sharing“ bzw. der kollektive Eigenverbrauch selbst kann nochmals verschiedene Formen annehmen (dazu gehören zum Beispiel Peer-2-Peer-Modelle, Mieterstrommodelle, etc.) und erhöht den gesamten direkten Verbrauch regenerativen Stroms innerhalb Quartiers und damit auch die Energieeffizienz.
Die Sektorenkopplung spielt in solchen Gemeinschaften ebenfalls eine Rolle: Der erzeugte Strom kann neben dem direkten Verbrauch auch umgewandelt und zum Heizen oder für E-Mobilität genutzt werden.
Sowohl die Nutzung des öffentlichen Netzes als auch der Aufbau eines privaten Quartiersnetzes ist möglich. Bei letzterem können Netzentgelte für Stromaustausch innerhalb des Quartiers vermieden werden. Dabei gibt es einen Verbindungspunkt zum öffentlichen Netz, um dort überschüssigen Strom einzuspeisen oder nötigen Strom für das gesamte Quartier zu beziehen. Zur Realisierung solcher Energy Communities können digitale Plattformen für die Nutzung und Priorisierung von dezentralen Energieanlagen beitragen, sowie ein digitales Netzwerk aus Prosumern und Consumern, für das Tarife und Vermarktungsstrategien festgelegt sind, und einen digitalen Marktplatz, um weitere Dienstleistungen erbringen zu können.
Aktuelle „Energiegemeinschaften“ in Deutschland sind in der Regel Genossenschaften, welche gemeinsam eine Anlage betreiben und diesen Strom vermarkten. Hierbei fehlt allerdings der Schlüsselaspekt des „Energy Sharings“, bzw. überhaupt der eigenen Nutzung des Stroms. Auch fehlt bei diesem Konzept ein System, dass andere Formen der Energien und deren Nutzung und Speicherung innerhalb einer Gemeinschaft einbindet.
Innerhalb der EU sind „Energy Communities“ in zwei Richtlinien definiert. Dort unterscheidet man zwischen Renewable Energy Communities (REC) aus der Erneuerbare Energie Richtlinie RED II und Citizen Energy Communities (CEC) aus der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie EMD. Der Hauptunterschied liegt darin, dass CEC nur im Strombereich aktiv sind und die Wahl der Primärenergiequelle nicht festgelegt ist. Bei REC muss es sich um erneuerbare Energien handeln, sie können aber den Strom- und/oder Wärmesektor umfassen. Bei den REC ist ebenfalls die geografische Nähe der Mitglieder erforderlich und es werden nur natürliche Personen, lokale Behörden und kleinste bis mittlere Unternehmen als Mitglieder zugelassen. Mit der RED II (also den RECs) soll unter anderem der Ausbau der erneuerbaren Energien durch erneuerbare Energiegemeinschaften gefördert und auch den Bürgerinnen und Bürgern ein Recht auf die Mitgliedschaft in solch einer Gemeinschaft gegeben sein. Die EMD zielt hingegen vor allem auf gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Energiemarkt ab.
Des Weiteren wird in beiden Richtlinien festgehalten, dass das „Teilen der Energie“ untereinander ein fester Bestandteil der Communities ist, wobei nur in der RED II explizit vom „Energy Sharing“ gesprochen wird.
Diese Rahmenbedingungen für erneuerbare Energiegemeinschaften sind in Deutschland allerdings noch nicht ausreichend umgesetzt. Besonders die rechtliche Grundlage für die kollektive Energienutzung über das öffentliche Netz ist im deutschen Recht noch nicht implementiert.
Technologien als Teil des Energieausgleichs im Quartier:
Um die Nutzung und Speicherung des erzeugten Stroms zu ermöglichen, gibt es verschiedene Technologien, die als Bausteine für das Quartierssystem dienen können.
Quartiersbatterien sind Batteriespeicher, die für den Energieausgleich in abgegrenzten Gebieten wie Wohnviertel, Siedlungen und Quartieren eingesetzt werden. Sie funktionieren als gemeinsam genutzter Zwischenspeicher für lokal erzeugte Energie, meist aus erneuerbaren Energiequellen und BHKWs. Quartiersspeicher bilden damit eine Alternative zu dezentralen Stromspeichern. Sie sparen Platz und Ressourcen und können in einem Container oder kleinen Gebäude installiert und vom Hersteller betrieben und gewartet werden.
Thermische Speicher speichern Warmwasser und stellen dieses zur Wärmeerzeugung bereit. Da die erneuerbare volatile Stromerzeugung und der Wärme-/Warmwasserbedarf oft nicht gleichzeitig anfallen, dienen thermische Speicher als Zwischenspeicher bei der Elektrifizierung des Wärmesektors eine wichtige Rolle beim Energieausgleich. Thermische Speicher können auch Wärme aus anderen Wärmequellen wie Abwärme, Geothermie oder Solarthermie einspeichern. Je nach Auslegung können die Speicher die Wärme stunden- bis tageweise speichern.
Power-to-Heat: Um Strom in Wärme umwandeln zu können, können Power-to-Heat-Anlagen wie Wärmepumpen, Elektrokessel und Heizstäbe genutzt werden. Bei Wärmepumpen wird Wärme aus Wärmequellen wie der Umgebungsluft, dem Erdboden oder Grundwasser genutzt und mithilfe elektrischer Energie auf ein höheres Temperaturniveau angehoben. Bei Elektrokesseln und Heizstäben wird mittels Strom eine Heizspirale erhitzt.
Power-to-Gas: Eine weitere Möglichkeit der Stromspeicherung, bzw. der Nutzung von Strom in an-deren Sektoren, ist die Erzeugung von Wasserstoff (oder andere chemische Speicher). Dieser kann zu einem späteren Zeitpunkt zum Heizen, in der Mobilität oder in der chemischen Nutzung weiterverwendet oder durch Brennstoffzellen wieder als Strom nutzbar gemacht werden. Bei dem Betrieb der Elektrolyseure und Brennstoffzellen kann ebenfalls die Abwärme genutzt werden.
Elektromobilität: Elektrofahrzeuge können überschüssigen Strom verwenden und zudem in Kombination mit einer entsprechenden Steuerung zum Netzausgleich beitragen, indem bei einem erhöhten Netzverbrauch das Aufladen des Elektroautos gestoppt oder verringert und erst zu einem späteren Zeitpunkt weitergeladen wird. Zudem können Elektrofahrzeuge auch als dezentraler Speicher eines Quartiers genutzt werden, wenn die Batterien sich auch wieder bei Bedarf entladen lassen (Vehicle2Grid).
Energiemanagement: Zentrales Element für den Energieausgleich innerhalb des Quartiers ist eine intelligente, vorausschauende Steuerung. Der Verbrauch wird so an die Erzeugung angepasst, dass möglichst wenig über das öffentliche Netz bezogen wird und so Kosten gespart und die Netzbelastungen reduziert werden können. In das Quartier-Energiemanagement-System fließen Erzeugungs- und Verbrauchsprognosen auf Basis von künstlicher Intelligenz ein, um Verbrauch und Erzeugung zu koordinieren.
Vorteile von Energysharing:
Durch Energysharing erhöht sich der Eigenverbrauch innerhalb eines Quartiers, wodurch Potenziale für Kostensenkungen entstehen, die Abhängigkeit von (steigenden) Strompreisen reduziert wird und volatile erneuerbare Energien sich einfacher integrieren lassen. Über die Bereitstellung von Netzdienstleistungen können der Verteilnetzausbau reduziert und so ebenfalls Kosten gespart werden. Hinzu kommt die Aktivierung und Motivation der lokalen Bevölkerung, die durch entspre-chende Partizipationskonzepte in die Transformation der lokalen Versorgung eingebunden werden und profitieren können.
Für Stadtwerke und Energieversorger ergeben sich Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle. Sie können selbst Energy Communities organisieren und ausstatten.
Nachteile von Energysharing:
Die Umstrukturierung und der Aufbau eines Quartierskonzeptes ist mitunter mit langwierigen Ko-ordinationsprozessen zwischen vielen unterschiedlichen Akteuren verbunden. Durch die übergreifende Betrachtung der verschiedenen Sektoren und Interaktion mit den höheren Systemebenen über die Quartiersebene hinaus ist die Umsetzung von Energy-Sharing Konzepten mit einer hohen Komplexität verbunden. Die derzeitigen unklaren Randbedingungen in den Entwicklungen der Energiemärkte und Regulatorik im Hinblick auf die Förderung von Energy-Sharing auf Quartiersebene bedingen eine gewisse Unsicherheit in der Planung solcher Konzepte.
Aktuelle Fragestellungen & Herausforderungen
- Durch die aktuelle Gesetzeslage werden viele Systeme im Quartier doppelt belastet
- Das Thema des Energy Sharings ist noch in der Entwicklung, dadurch müssen Regelungen, Gesetze und Abläufe noch entstehen bzw. vereinheitlicht werden
Weiterführende Informationen:
- Analyse der deutschen Energieagentur:
- Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.) (dena, 2022) „Energy Communities: Beschleuniger der dezentralen Energiewende“